Empirische Lehr-Lernforschung zur Quantenphysik an Schulen und Universitäten

In diesem Forschungsbereich steht die didaktische Rekonstruktion quantenphysikalischer Konzepte für den Physikunterricht an Schulen oder die universitäre Ausbildung im Zentrum. Unten auf dieser Seite finden Sie ein konkretes Unterrichtsbeispiel

Die Quantenphysik ist ein hochaktuelles Gebiet der Physik. „The future is quantum“ liest man auf der Homepage des Quantum Flagships der Europäischen Union. Quantentechnologien werden auch außerhalb von Forschungslaboren und Industrie zunehmend an Bedeutung erlangen und damit einen Einfluss auf das gesellschaftliche Leben haben.

Durch einen iterativen Prozess aus Entwicklungs- und Evaluationsforschung im Sinne von Design Based Research wird damit eine Verbesserung in der Lehre von Quantenphysik erwirkt, egal auf welchem Ausbildungsniveau. Aktuell sind die beiden primären Zielgruppen allerdings Schülerinnen und Schüler der gymnasialen Oberstufe und Studierende der Ingenieurwissenschaften.

Quantenphysik in der Schule

Der Quantenphysikunterricht an Gymnasien muss ein Bewusstsein für die Bedeutung von Quantentechnologien vermitteln: die Unterschiede zwischen klassischer Physik und Quantenphysik müssen mit klaren Worten benannt und für Schülerinnen und Schüler bestmöglich in Experimenten erfahrbar werden. Dazu braucht es aber Experimente, die nicht mit semiklassischen Modellen erklärbar sind. Der Photoeffekt stellt kein solches Experiment dar [1]. 

Für die universitäre Ausbildung existieren bereits Einzelphotonenexperimente mit dem Ziel der Vermittlung eines modernen Bildes von Quantenphysik, z.B. [2]. In der Schule sind solche Experimente aber nicht praxistauglich einsetzbar, weil die Kosten zu hoch oder der Justageaufwand beim Aufbau solcher Experimente zu groß sind. Interaktive Bildschirmexperimente stellen eine für Schulen praxistaugliche Alternative zum Realexperiment dar und Bronner entwickelte diese für Einzelphotonenexperimente [3].  

Diese interaktiven Einzelphotonenexperimente nutzen wir zur Entwicklung eines Unterrichtskonzepts für die gymnasiale Oberstufe, dem das Experiment aus der bahnbrechenden Publikation „Experimental evidence for a photon anticorrelation effect on a beamsplitter“ von Grangier et al. (1986) inhaltlich zugrunde liegt [4]. Ausgehend von Erkenntnissen aus modernen quantenoptischen Experimenten, sollen die Lernenden zu einem qualitativen Verständnis für die Wesenszüge der Quantenphysik [5] geführt werden. 

Die folgenden inhaltlichen Grundideen haben das Design des Erlanger Unterrichtskonzepts zur Quantenoptik geprägt:

  • Verhinderung mechanistischer Sprech- und Denkweisen: der Verzicht auf einen Welle-Teilchen-Dualismus macht eine Diskussion über den mechanistischen Bahnbegriff in der Quantenphysik überflüssig 
  • Präparationsbegriff statt Sender-Empfänger-Vorstellung: Statt von Photonenquellen zu sprechen, wird die Präparation von Quantenzuständen durch Koinzidenzen betont. 
  • Ansetzen an nicht semiklassisch erklärbaren Effekten
  • Photonen: „Unteilbare Energieportionen des Lichts, die nicht lokalisierbar sind“, statt „Lichtteilchen“.

Das Erlanger Unterrichtskonzept zur Quantenoptik wurde umfassend mit qualitativen und quantitativen Methoden evaluiert. Es zeigt sich: Quantenphysikunterricht, der Lernende bis hin zu den Quantentechnologien führt oder zumindest uneingeschränkt anschlussfähig ist, ist in der gymnasialen Oberstufe möglich. 

Details zum Unterrichtskonzept, die Forschungsfragen, das Studiendesign und die Ergebnisse können in der Dissertation von Dr. Philipp Bitzenbauer nachgelesen werden: Hier kann die Dissertation heruntergeladen werden!

Unterrichtsbeispiel zur Quantenoptik
Quantenphysik in der Ingenieursausbildung

Von Schneelawinen etwas darüber lernen, wie man mit einzelnen Photonen experimentieren kann – das geht? Wie Lernende in der Sekundarstufe II in Experimente der Quantenoptik eingeführt werden können, sehen Sie in diesem Erklärvideo. Anna Donhauser und Philipp Bitzenbauer zeigen, wie in Einzelphotonendetektoren aus Schneelawinen Elektronenlawinen werden. Hier gelangen Sie zur Publikation.

Im Zuge der Entwicklungen im Bereich der Manipulation und Messung einzelner Quantenobjekte gewinnen Quantentechnologien der zweiten Generation auch in der Industrie zunehmend an Bedeutung. Dadurch ergeben sich neue Anforderungen an die Ingenieure der Zukunft

Zwar gibt es bereits erste Studiengänge zum Quantum Engineering, aber noch ist ungeklärt, welche Kompetenzen auf dem Gebiet der Quantenphysik künftige Spezialisten aus dem Ingenieurwesen benötigen. Um also in Zukunft Aus- und Fortbildungskonzepte, Studiengänge oder Vertiefungsmodule zielgerichtet entwickeln zu können, soll zunächst eine Kompetenzlandkarte mit messbaren Kompetenzstufen entstehen: Kenntnisse und Kompetenzen im Bereich der Quanteninformationstechnologien, die heute aber vor allem in Zukunft in Wirtschaft und Industrie benötigt werden, werden mit Hilfe einer Delphi-Studie identifiziert. Diese ist international angelegt und es werden gleichermaßen Expertenmeinungen aus Wissenschaft und Industrie mit einbezogen. 

Erste Ergebnisse wurden hier bereits veröffentlicht und Details können in der Publikation nachgelesen werden. Aber eines ist klar: Nach Ansicht der Experten steigt die Relevanz von Quantentechnologien in Wissenschaft und Forschung gleichermaßen, aber auch die Wichtigkeit der Quantentechnologien für das gesellschaftliche Leben nimmt immer mehr zu [6]: 

In den weiteren Befragungsrunden werden die qualitativen Ergebnisse nach und nach gebündelt, um damit Kompetenzstufen für die Ausbildung zukünftiger Ingenieure im Feld der Quantentechnologien zu extrahieren. 

Literatur: 

[1] Wentzel, G. (1926). Zur Theorie des photoelektrischen Effekts. In: Z. Phys. 40(8):574-589

[2] Galvez, E. ; Beck, M. (2019). Quantum Optics Laboratories for Teaching Quantum Physics. In: Fifteenth Conference on Education and Training in Optics and Photonics: ETOP 2019

[3] Bronner, P.; Strunz, A.; Silberhorn, C.; Meyn, J.-P. (2009). Interactive screen experiments with single photons. European Journal of Physics 30. 345

[4] Grangier, P. ; Roger, G. ; Aspect, A. (1986). Experimental evidence for a photon anticorrelation effect on a beamsplitter. In: Europhys. Lett. 1, S. 173.

[5] Küblbeck, J. ; Müller, R. (2003). Die Wesenszüge der Quantenphysik: Modelle, Bilder, Experimente. Aulis-Verlag Deubner 

[6] Gerke, F. ; Müller, R. ; Bitzenbauer, P. ; Ubben, M. ; Weber, K.-A. (2020). „Quantum Awareness im Ingenieurwesen: Welche Kompetenzen werden in der Industrie von morgen gebraucht?“. In: PhyDid-B – Didaktik der Physik – Beiträge zur DPG-Frühjahrstagung (eingereicht)